Bambi-Verleihung oder Kunsthalle? Daran, wie der Mitte-Rechts-Senat Standort-Marketing betreiben will, scheiden sich in der Stadt die Geister. Die Opposition kritisiert den Einfluss der Handelskammer auf die neue Hamburg Marketing GmbH, die Kultur-Szene befürchtet, im neuen Image der Stadt keine Rolle mehr zu spielen. Ein Text aus dem Jahr 2003.
Im „Pfeffersack“ können sie sich ganz leicht begegnen, die Politiker, die im gegenüberliegenden Rathaus die Geschicke der Stadt steuern und die hanseatischen Kaufleute, die von dem funktional und nüchtern eingerichteten Restaurant nur einige Treppenstufen in die Handelskammer Hamburg brauchen. Hariolf Wenzler wird es im kommenden Jahr mit beiden Seiten intensiv zu tun bekommen, wenn der 35-jährige gebürtige Stuttgarter wie vorgesehen im Januar von der Handelskammer in die Geschäftsführung der neuen Gesellschaft für Standortmarketing wechselt. Die Gründung der Hamburg Marketing GmbH – so der Arbeitstitel – wurde jetzt von der Bürgerschaft beschlossen, Gesellschafter werden die Stadt zu 70 Prozent und die Handelskammer mit 30 Prozent sein.
Kritik hatte sich bereits im Vorfeld der Entscheidung am zukünftigen Einfluss der „Pfeffersäcke“ auf das Standort-Marketing entzündet. „Die neue Gesellschaft wird keine Veranstaltung der Handelskammer werden“, glaubt Wenzler und verweist auf die Verteilung der Sitze im Aufsichtsrat, dem unter Vorsitz des Ersten Bürgermeisters drei Kammer- und sechs Senatsvertreter angehören werden. Wenzler weiter: „Es geht um mehr, nämlich darum, Hamburg zu einer unverwechselbaren Marke zu entwickeln.“Stärkster Kritiker der Beteiligung der organisierten Unternehmerschaft am Standort-Marketing ist der ehemalige Stadtentwicklungs-Senator Willfried Maier von der GAL. „Die Handelskammer hat kürzere Willensbildungsprozesse als die Politik und könnte deshalb die Gesellschaft faktisch dominieren. Die Handelskammer ist aber nicht demokratisch legitimiert, sondern vertritt nur eine Minderheit der Hamburger.“
Neben der Entwicklung einer so genannten „Dachmarke“ für Hamburg soll die Gesellschaft außerdem Projekte unter dem Senats-Leitbild der „Wachsenden Stadt“ koordinieren und begleiten. Für den laufenden Betrieb erhält sie dafür im Jahr 2004 von der Stadt 700.000 Euro, die Handelskammer zahlt weitere 100.000 Euro dazu, für internationale Marketingaktivitäten sollen in den kommenden drei Jahren bis zu 15 Millionen Euro aus Steuermitteln ausgegeben werden. „Alles wird am Leitbild des aktuellen Senats ausgerichtet und ist durch Kaufleute geprägt, die dafür kaum Geld geben“, kritisiert Maier – immerhin hatte sich die Wirtschaft an der ähnlich strukturierten Olympia-Bewerbungsgesellschaft noch zur Hälfte beteiligt.
Den Anstoß für die Marketing-Aktivitäten gab die Abstimmungs-Niederlage gegen Leipzig bei der nationalen Bewerbung zur Olympiastadt 2012. Im April konnten die siegessicher zur Präsentation nach München angereisten Hanseaten bei den Sportfunktionären der Republik nicht annähernd die Begeisterung wie ein Cello-spielendes Stadtoberhaupt aus der sächsischen Metropole entfachen. „Das Selbstbild der Hamburger ist anders als das Fremdbild“, weiß Wenzler. Soll heißen: Wie schön die Stadt ist, wissen bundesweit zu wenige Menschen, international sieht es noch schlimmer aus. „Die Hansestadt Hamburg ist weltweit noch zu wenig bekannt“, weiß der Erste Bürgermeister Ole von Beust, „die neue Gesellschaft wird hier kraftvoll ansetzen.“
Die aktuelle Senats-Kampagne, auf der von Beust gänzlich unhanseatisch über dem offiziellen Hamburg-Logo Format füllend abgebildet wird, lässt für den GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Maier Schlimmes befürchten. „Nach diesem in der Geschichte Hamburgs einzigartigem Personenkult unter direkter Verwendung öffentlicher Mittel bin ich ausgesprochen misstrauisch, dass der Senat im Standort-Marketing ebenfalls ein strahlendes Hamburg-Bild zeichnen wird, möglichst mit dem Ersten Bürgermeister im Mittelpunkt.“
Wie wird Hamburg also zukünftig beworben, wird sich die Hansestadt sich nur noch als Wirtschafts-Standort präsentieren? „Die inhaltliche Diskussion darüber beginnt erst, wenn die Gesellschaft die Arbeit aufnimmt“, so der designierte Geschäftsführer Wenzler. So vage die Vorstellungen noch sind, eins sei sicher: „Die Kultur wird bei der Entwicklung der Marke Hamburg eine wichtige Rolle spielen. Wie wollen Sie die Marketing-Aktivitäten mit Leben füllen, wenn nicht mit der Kultur der Stadt?“, fragt Hariolf Wenzler.
Die Vertreter der kulturellen Einrichtungen können von der Wichtigkeit kultureller Inhalte im Stadt-Marketing bislang nichts erkennen. Einen „absoluten Skandal“ nennt es Kunsthallen-Chef Uwe Schneede, dass die Kultur in der Standort-Werbung Hamburgs keine Rolle spielt. Bezeichnend: Der Senat engagiert sich, um Medien-Events wie die Bambi-Verleihung an die Elbe zu holen, Bremen bewirbt sich unterdessen als Europas Kulturhauptstadt 2010.
Das Beispiel des westlichen Nachbar-Stadtstaates hat auch bei einem der größten Kultur-Sponsoren in Hamburg Eindruck gemacht. Michael Göring, Geschäftsführer der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, sieht in „Bremen ein breit angelegtes Kulturmarketing, die machen das dort sehr geschickt“. Die Hansestadt an der Weser wirbt unter anderem mit der großen Vincent-van-Gogh-Ausstellung „Felder“, die eigens für die Bremer Kunsthalle zusammen gestellt worden war und mit 322.000 Besuchern neben der Kasseler Documenta das höchst frequentierte Kunst-Ereignis des vergangenen Jahres wurde.
Die Strahlkraft der Kultur-Metropole Hamburg hat laut Göring trotz der stärkeren Konkurrenz nicht gelitten. „Wir sind nach wie vor ein toller Kultur-Standort, doch wird im Stadt-Marketing viel zu wenig daraus gemacht“, so der Stiftungs-Geschäftsführer, der „es deshalb begrüßt, dass die neue Marketing GmbH kommt. Mir ist aber aufgefallen, dass der Kultur-Bestandteil dort bislang eine höchst untergeordnete Bedeutung genießt. Wenn die Gesellschaft ihre Arbeit aufgenommen hat, können wir endlich Pflöcke einschlagen und den Dialog beginnen“. Michael Göring konstatiert momentan ein Misstrauen der politischen Entscheidungsträger in Hamburg gegenüber den kulturellen Einrichtungen, das schnellstens abgebaut werden müsse. Liegt es daran, dass all das zu weit vom „Pfeffersack“ entfernt liegt?
Der Text ist in der SZENE Hamburg 12/2003 erschienen
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