Wie es Kriminellen in Hamburg gelang, mehr als 120 Wohnungssuchende um viel Geld zu prellen.
Dominik F. trägt Sneaker und ein schwarzes T-Shirt als er erzählt, wie er ein Opfer der neuesten Betrugsmasche auf dem Hamburger Wohnungsmarkt wurde. 5.760 Euro hat der angehende Student der Sozialen Arbeit auf einen Schlag verloren. Miete, Kaution und Abstand für eine Wohnung, die nicht zu vermieten ist. „Ohne die Hilfe meiner Eltern wäre ich gefühlt obdachlos“, sagt er. Um ihnen wenigstens einen Teil des Geldes zurückzahlen zu können, wird er im nächsten Semester einen Minijob annehmen. Der 25-Jährige ist aus Potsdam nach Hamburg gekommen. Er ist froh, übergangsweise in einem überteuerten Apartment am Berliner Tor untergekommen zu sein.
840 Euro sollte die 53 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung in Beltgens Garten 17, einer ruhigen Wohnstraße in Hamm, im Monat kosten. „Nicht ganz billig, aber da ich ein duales Studium beginne, hätte ich sie mir mit meinem Gehalt und etwas Unterstützung meiner Eltern leisten können.“ Die Pseudo-Studentenbude wurde auf einem Internetportal angeboten, von dort wurde auf eine DMMA Immobilien GmbH verlinkt. „Die Website des Unternehmens war erstaunlich seriös und gut gemacht“, sagt F. Auf der Seite lud er seinen Gehaltsnachweis hoch und fragte in der Eingabemaske nach einem Besichtigungstermin, worauf ihn ein Mann anrief, der sich Thomas Schmitz nannte und ihm sagte, dass die Besichtigung kontaktlos ablaufen würde. Dominik F.: „Das hätte mich misstrauisch machen sollen. Ich habe mir aber nichts dabei gedacht, weil das Ganze im Zuge von Corona relativ normal geworden ist.“
Die Terminbestätigung kam per E-Mail, im Anhang ein pdf-Dokument mit Verhaltensregeln. Man dürfe höchstens 30 Minuten in der Wohnung bleiben, solle keine Nachbarn mit Fragen nerven und ruhig sein, damit sich niemand gestört fühlen. Die Schlüssel lagen vor einem Nachbarhaus in einem Zahlenschlosstresor. „Die Wohnung hat mir gut gefallen, was ich der Verwaltung gemailt habe“, so F. Wieder meldete sich der Mann, der sich Schmitz nannte, am Telefon. Um die Wohnung zu kriegen, müsse er ein Angebot bezüglich der Inventarübernahme abgeben. „Das waren jetzt keine besonders wertigen Sachen. Mir war aber klar: Ich muss einen richtig guten Preis bieten, um Chancen auf die Wohnung zu haben.“ Ab 1.500 bis 2.500 Euro sei er langsam im Pott, sagte der fast zu freundliche Gesprächspartner. F. entschied sich, mit der Unterstützung seiner Eltern dazu, für die Möbel 3.000 Euro zu bieten. Ein paar Tage später kam der Anruf, dass F. die Wohnung bekommen habe.
Stefan Schmalfeldt, Leiter der Rechtsabteilung beim Mieterverein, hat sich Mietvertrag und Exposé angesehen. „Es handelt sich nicht ansatzweise um Regelungen, die dem üblichen ,Hamburger Mietvertrag für Wohnraum‘ zu entnehmen sind“, so Schmalfeldt. Dass laut Vertrag unzulässigerweise bereits vor Mietbeginn Miete und Kaution zu zahlen gewesen seien, lässt bei ihm die Alarmglocken schrillen. Höchst bedenklich sei außerdem, dass im Exposé eine Kontaktadresse fehlt, obwohl gleichzeitig mit einem ganzheitlichen Full-Service geworben wurde. Der Mietrechtsexperte rät über die Hausverwaltung vorab im Internet zu recherchieren, oder sich im Zweifel mit dem Mieterverein in Verbindung setzen.
Den ungewöhnlichen Vertrag unterschrieb F. digital. „Das kam mir zunächst relativ seriös vor. Mittlerweile würde ich das nicht mehr machen.“ Wenige Tage vor dem geplanten Einzug bekam F. überraschend eine E-Mail von der DMMA. „Alles Betrug“ stand in der Betreffzeile. „Der Einzug findet nicht statt. Es wird niemand vor Ort sein, um die Tür zu öffnen“, las ein geschockter F.
Dominik F. ist nicht der einzige Geschädigte, der viel Geld verloren hat. Er hat Kontakt zu anderen Betrugsopfern, die Kommunikation läuft über eine WhatsApp-Gruppe. „Daher weiß ich, dass mehrere Konten ganz verschiedener Banken für die Überweisungen benutzt wurden.“ Vielleicht ergeben sich dadurch doch noch Hinweise auf die Wohnungsbetrüger. Auf Anfrage des Mieterjournals teilt die Hamburger Polizei mit, dass es bislang 120 Fälle gibt und die Ermittlungen noch andauern.
Tipps der Polizei
– Erkundigen Sie sich gegebenenfalls bei anderen Mietern im Haus, ob diese Kenntnis von einem Auszug der Nachbarn bzw. einer Neuvermietung der Wohnung haben.
– Gibt es einen Schaukasten im Treppenhaus? Überprüfen Sie, ob dort die gleiche Hausverwaltung verzeichnet ist, mit der Sie bereits in Kontakt stehen. Rufen Sie gegebenenfalls den Hausmeister an und fragen Sie nach, ob die Ihnen angebotene Wohnung wirklich neu vermietet werden soll.
– Bestehen Sie auf eine persönliche Begegnung! Vorsicht ist vor allem dann geboten, wenn der Wohnungseigentümer behauptet, bei der Wohnungsbesichtigung nicht persönlich anwesend sein zu können und auch kein Makler oder Verwalter vor Ort ist.
Der Text ist im Mieterjournal 3/2023 erschienen.
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